Neumünster. Julia Görges, Angelique Kerber und Mona Barthel gehen längst ihren eigenen, individuellen Weg, aber eines haben Schleswig-Holsteins erfolgreiche Tennisfrauen gemeinsam: Herby Horst hat sie auf ihrem Weg begleitet - und tut es zum Teil immer noch. Seit 19 Jahren ist Horst für die Talentförderung und -ausbildung im Tennisverband Schleswig-Holstein verantwortlich. Und der 55-Jährige erledigt seinen Job mit durchschlagendem Erfolg: Görges, Kerber und Barthel sind derzeit allesamt in den Top 50 der Weltrangliste platziert. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Horst über nachhaltige Talentförderung, die Perspektiven seiner Schützlinge - und seine Liebe zu Schleswig-Holstein.
Herby Horst, 52 000 Schleswig-Holsteiner sind Mitglied in einem Tennisverein, Ihr Landesverband ist einer der kleineren in Deutschland. Mit Julia Görges aus Bad Oldesloe, Angelique Kerber aus Kiel und Mona Barthel aus Neumünster stehen aber drei Spielerinnen aus Schleswig-Holstein in den Top 50 der Weltrangliste, mit dem Lübecker Tobias Kamke zudem ein Spieler in den Top 100 - eine exzellente Quote. Außenstehende würden das Ganze vielleicht ein Tennismärchen nennen, wie nennen Sie es?
Herby Horst: Ein Tennismärchen ist es nicht. Ich glaube, es ist eine Mischung aus einem funktionierenden Konzept und ein paar Menschen, die dieses Konzept umsetzen. Mit Sicherheit gehört auch harte Arbeit dazu und ein bisschen Glück.
Wie sieht das Konzept aus, dass Sie und Ihr Trainerteam haben?
Wir planen langfristig, wir halten an den Kindern fest, weil wir wissen, dass sie einen langen Weg haben, dass es Höhen und Tiefen gibt. Außerdem haben wir ein individuelles System, wir binden den Heimtrainer der Kinder - das kann auch Mutter oder Vater sein - stark ein. Wir reißen nicht alles an uns, sondern versuchen, das Vorhandene zu ergänzen und etwas dazuzupacken. Kompetente Trainer, Kontinuität, Langfristigkeit und Individualität - das sind die Schlagworte, die unsere Philosophie gut beschreiben.
Vor allem das schleswig-holsteinische Frauentrio sorgt derzeit für Schlagzeilen. War bei allen drei Spielerinnen früh erkennbar, dass es bis in die Weltspitze gehen würde - oder haben Görges, Kerber und Barthel selbst Ihren Ausbilder und Förderer überrascht?
Überrascht hat es mich bei keiner. Alle drei hatten schon früh große Fähigkeiten. Angelique Kerber hat sogar herausgestochen, sie war im Jugendbereich sehr dominierend. Aber auch Julia Görges und Mona Barthel hatten mit 15, 16 Jahren eine Phase, in der sie einen Sprung gemacht haben. Mona zum Beispiel war fantastisch: Sie hat immer an sich gearbeitet, kontinuierlich und diszipliniert - das zahlt sich jetzt aus.
Eine magische Grenze ist die Top Ten der Weltrangliste. Trauen Sie einem Ihrer Schützlinge zu, es in diesen erlauchten Kreis zu schaffen?
Ich traue es allen dreien zu. Sie haben alle noch Luft nach oben. Natürlich ist das Ganze auch eine Frage der Turnierplanung, der Gesundheit, der Fitness. Aber sie haben genug Tennis in sich, um es zu schaffen - davon bin ich überzeugt.
Sie können die Spielerinnen nicht rund um den Globus zu all den Turnieren begleiten. Wie halten Sie zu Kerber und Co. Kontakt?
Heutzutage sind Tennisprofis Unternehmer, sie haben teilweise ihre eigenen Coaches, die mit ihnen reisen. Allerdings nutzen Kerber, Barthel und auch Tobias Kamke und Julian Reister, der leider lange verletzt war, regelmäßig unser Leistungszentrum in Wahlstedt. Sie trainieren also immer wieder bei und mit uns.
Machen sich die Erfolge des Frauentrios auch schon an der Basis bemerkbar? Kommen wieder mehr Kinder zum Tennis?
Wir hatten immer einen Zustrom an talentierten Kindern. Dass sich durch die Erfolge schon etwas geändert hat, glaube ich nicht, dafür ist das Ganze noch zu frisch. Positive Auswirkungen würde es aber mit Sicherheit dann geben, wenn eine Schleswig-Holsteinerin den Sprung in die Top Ten schafft oder ein sehr großes Turnier gewinnt.
Sie trainieren täglich mit Talenten, die den Durchbruch schaffen wollen. Wie groß ist die Chance, dass in den kommenden Jahren weitere Schleswig-Holsteiner in den oberen Regionen der Weltrangliste auftauchen?
Wir haben viele Kinder, die richtig gut werden können. Unsere Aufgabe ist es, sie zu fördern, bis sie durchstarten. Aber sie müssen gesund bleiben, die erste Krise gut verkraften, sie müssen mit 18, 19 Jahren Sponsoren haben, um Durststrecken zu überstehen. Und sie sind auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen, die Geld und vor allem viel Zeit investieren müssen. Es ist sehr schwer. Aber es gibt einige, die es packen können.
Sie selbst haben - wie Ihre Schützlinge - viel von der Welt gesehen. Geboren in Mosambik, aufgewachsen in Südafrika, gelebt haben Sie in der Schweiz, in Österreich - und nun in Scharbeutz in Ostholstein. Mal ehrlich: Packt Sie manchmal noch das Fernweh?
Nein, ich bin Schleswig-Holsteiner, ohne Wenn und Aber. Ich fühle mich unglaublich wohl in Schleswig-Holstein - vor allem in Ostholstein.